Kinderspielzeuge : des einen Freud, des anderen Leid…

Achtung! Verschluckbare Kleinteile enthalten, für Kinder zwischen 0-4 Jahren ungeeignet!“

Diesen Warnhinweis finden wir im Alltag häufig auf allen möglichen Dingen, vor allem auf Kinderspielzeugen. In erster Linie dient er natürlich der Sicherheit unserer Kinder.

Wieso er jedoch auch für Tierbesitzer interessant ist, erfahrt ihr im folgenden Artikel.

Unser Patient des Monats November ist Britisch Kurzhaar Katze Mili.

Mili wurde uns von einer Kollegin überwiesen, da sie seit mehreren Tagen erbrochen hatte. Ihre Besitzerin hatte bereits den Verdacht, dass Mili Spielzeug zerkaut hatte, da kleinere Plastikteile zuhause gefunden wurden. Es war jedoch nicht eindeutig ersichtlich, ob Teile des Spielzeuges auch gefressen wurden.

Werden fälschlicherweise Dinge abgeschluckt, die nicht in den Magen-Darm- Trakt gehören, so sprechen wir von Fremdkörpern. Die Fremdkörperaufnahme kann in manchen Fällen problemlos verlaufen, sodass der Gegenstand den Darm durchwandert und einige Tage später mit dem Kotabsatz abgeht. In den meisten Fällen jedoch machen Fremdkörper im Magen-Darm Trakt massive Probleme.

Spitze und scharfkantige Fremdkörper können Verletzungen in Magen oder Darm setzen und im schlimmsten Fall sogar die Organe durchstoßen (perforieren). Dann können Verdauungspartikel- und Säfte in den Bauchraum gelangen und es kommt schnell zu einer Bauchfellentzündung (Peritonitis) und manchmal infolgedessen zur Blutvergiftung (Sepsis).

Doch auch stumpfe Fremdkörper sind nicht weniger gefährlich. Gerade Plastikteile bringen ein großes Problem mit sich: die enthaltenen Weichmacher werden durch die Verdauungssäfte entzogen. Aus einem weichen Plastikteil wird dadurch schnell ein harter, unbeweglicher Klumpen, der mit dem Ausgangsmaterial nicht mehr viel zu tun hat. Durch die Eigenbewegung des Darms (Darmperistaltik) wird der Darminhalt Stück für Stück vom Dünndarm über Dickdarm bis zum Enddarm transportiert. Dabei kommt es dann häufig an einer Stelle zum Steckenbleiben des Fremdkörpers.

Steckt der Fremdkörper im Darm fest, sprechen wir von einem Darmverschluss (Ileus). Der Darminhalt kann jetzt nicht weitertransportiert werden. Die Symptome eines Ileus sind meistens: erbrechen, starke Bauchschmerzen mit Schmerzhaftigkeit beim Anfassen /hochheben , Ausbleiben des Kotabsatzes.

Doch Achtung! Je nach Fremdkörperart und Lokalisation kommt es nicht immer zum kompletten Verschluss, auch ein Teilverschluss mit teilweisem Abgang von Kot ist möglich!

Die überweisende Tierärztin hatte Mili bereits unter Medikamente gesetzt und Röntgenbilder in verschiedenen Stadien gemacht – mit Kontrastmittel und ohne. Denn nicht jeder Fremdkörper ist auf Röntgenbildern eindeutig zu erkennen. Es kommt sehr stark auf die Lage und das Material des Fremdkörpers an. Knochenstücke, Metall und Steine sieht man zum Beispiel wunderbar, man spricht hier von einer hohen „Röntgendichte“ dieser Materialien. Kleine Plastikteile, Gummi oder Stoffe sind leider nur schwer bis kaum darstellbar, sie haben eine niedrige Röntgendichte.

Wenn also der Fremdkörperverdacht mit einem nicht Röntgendichten Material im Raum steht, ist es sinnvoll, mehrere Röntgenaufnahmen anzufertigen. Eine Leeraufnahme des Magen-Darm Traktes sowie eine oder mehrere Aufnahmen nach der Gabe eines Röntgenkontrastmittels.

Röntgenkontrastmittel (meist Bariumsulfat oder Gastrografin) erzeugen künstliche Kontraste und lassen daher Hohlorgane deutlicher erscheinen und besser beurteilen. Im Falle eines Fremdkörpers kann das Kontrastmittel manchmal am Fremdkörper haften bleiben, oder aber es schoppt sich vor dem Fremdkörper an. Hierbei wird das Kontrastmittel nicht ausgeschieden, was den Verdacht auf einen Fremdkörper somit bestätigt, denn alles was vorne reingeht, sollte auch hinten wieder rauskommen… Auf dem Röntgenbild lässt sich dann die Lokalisation des Fremdkörpers besser bestimmen.

Bei einem Ileus hilft nur eine Operation. Wir haben bei Mili also eine Probe-Laparotomie durchgeführt (chirurgische Eröffnung der Bauchhöhle). Der Übeltäter wurde schnell gefunden: der Fremdkörper steckte im mittleren Abschnitt des Dünndarms (Jejunum) fest.

Es handelte sich um ein kleines Gummispielzeug mit Saugnapf am unteren Ende, die man häufig als Werbegeschenk nach einem Einkauf in gängigen Supermärkten an der Kasse erhält…

das Gummistück ließ sich während der OP problemlos in Richtung Mastdarm massieren, sodass eine Öffnung des Darms nicht notwendig war.

Nachdem die OP beendet war, wurde Mili stationär aufgenommen – zur Infusions- und Schmerztherapie.

Normalerweise erholen sich die Fremdkörperpatienten in der Tiermedizin erstaunlich schnell wieder. Oft kann ein Tag nach der Operation schon wieder leicht verdauliches Futter in kleinen Portionen angeboten werden und der Patient darf in die liebevolle Betreuung der Besitzer entlassen werden.

Doch leider war Milis Fall anders…

Mili bereitete uns Kummer. Der Fremdkörper konnte zwar erfolgreich entfernt werden, jedoch hatte er in den Tagen zuvor eine starke Magen-Darm Entzündung geschaffen und den Darm während seiner Durchwanderung stark gereizt. Das geht nicht spurlos an einem vorbei. Auch nicht an einer tapferen Katze. Mili ging es nicht gut: trotz Medikamente war ihr schlecht, sie speichelte stark und hatte keinen Appetit. Der Bauch tat ihr zudem auch noch sehr weh. Damit verabschiedete sich der Plan der Entlassung für Mili leider erst einmal. Sie musste bei uns auf Station bleiben – mit Dauertropfinfusion und Medikamenten. Das gefiel ihr natürlich nicht sehr gut. Trotz liebevoller Fürsorge wurde die Laune von Mili angespannter – verständlich! Da geht es einem hundeelend,man vermisst sein Zuhause und fragt sich, wo man nach dem Schläfchen überhaupt gelandet ist und andauernd kommt jemand mit Spritzen, Futter und Getätschel um die Ecke. Furchtbar.

Über eine Woche haben wir mit den Folgen des Fremdkörpers gekämpft: die Entzündung hatte sich auf die Bauchspeicheldrüse und sogar die Gallengänge ausgebreitet.

Nur langsam traten kleine Verbesserungen ein. Nach einer Woche intensiver Therapie konnten wir dann endlich aufatmen: Mili ging es besser! Also ab nach hause, wo das Futter besser schmeckt und man sich einfach viel besser auskurieren kann: nämlich in den liebevollen Händen der Besitzer!

Mili ist jetzt auf dem Weg der Besserung und wir hoffen, dass wir uns erst zum Fäden ziehen und damit zur Abschlusskontrolle wieder sehen müssen.

Dieser Fall hat mal wieder eindeutig bewiesen: Vorsicht bei kleinen Kunstoffteilen! Leicht verschluckbar, nicht geeignet für Kinder zwischen 0-4 Jahren.

und erst recht nicht für Hunde und Katzen!

 

 

Röntgenbild nach Kontrastmittelgabe

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Entfernter Fremdkörper

 

 

Fremdkörper in handelsüblicher Form