Hatschi!

Der Sommer ist Saison für Niesattacken und heftiges Kopfschütteln, aber nicht nur für unsere Allergiker Patienten, die auf so allerlei Blühendes, Stäubendes und Trockenes reagieren. Im Sommer lauern noch andere heimtückische Gefahren für unsere Vierbeiner draußen auf den Feldern, und wir reden auch nicht von Parasiten wie Zecken oder Eichenprozessionsspinnern sondern – tatsächlich – von Grannen!

Unser Patient des Monats ist Beagle Jake.

Jake wurde uns von einer Kollegin zur Endoskopie der Nase überwiesen. Nach einem Sprung mit der Nase voran ins Feld beim morgendlichen Spaziergang, hatte er angefangen in kurzen Abständen heftig zu niesen. Da der Verdacht nahe lag, dass Jake sich bei diesem Stunt etwas in die Nase gezogen hatte, was dort nun feststeckte und für den starken Niesreiz verantwortlich war, kamen Jake und Frauchen zu uns.

Das Endoskop ist ein Gerät mit einer kleinen Kamera und einer Lichtquelle, mit dem sich Organe und Hohlräume des Körpers von innen untersuchen und betrachten lassen. Endoskopische Untersuchungen funktionieren meist nur unter Vollnarkose aufgrund der Abwehrreaktionen des Körpers wie z.B. Niesen, Husten, Schlucken oder Würgen. In unsere Praxis haben wir ein starres und ein flexibles Endoskop. Für Endoskopien der Nase oder des Rachens eignet sich idealerweise das starre Endoskop.

Nachdem Jake also in Narkose gelegt wurde, bereiteten wir alles für den Einsatz vor. Endoskop, Fremdkörperfasszange, Tupfer, Kochsalzlösung zum Spülen… Lange dauerte es nicht bis der Übeltäter mit der kleinen Kamera ausfindig gemacht werden konnte: im rechten Nasenloch, tief in der Nasenmuschel steckte eine Granne in der Schleimhaut fest. Grannen sind borstige, spitze Grassamen von verschiedenen Getreidearten. Gerade im Sommer findet man sie also überall an Wiesen und Feldern. Durch ihre harten und rauen Borsten bleiben sie nicht nur gerne im Fell unserer Vierbeiner stecken, sondern bohren sich auch gerne in die Haut zwischen den Zehen, in die Gehörgänge, in die Nase oder ähnliches. Durch ihre Wuchsrichtung der Borsten in eine Richtung, bekommen die Tiere die Grannen auch nicht selbst wieder heraus. Die Borsten der Grannen sitzen wie Widerhaken fest und sorgen durch ihre Form sogar eher dazu, dass sie sich immer tiefer ins Gewebe bewegen. Ein Entfernen aus der Nase ohne Endoskop ist somit kaum möglich.

Doch was macht gerade die Nase so besonders bei der Endoskopie und Fremdkörperentfernung? Schauen wir uns den Aufbau der Nase unserer Hunde an. Die Nase trennt sich in die beiden Nasenhöhlen, links und rechts. Jede Nasenhöhle ist unterteilt in drei Nasengänge : den oberen, mittleren und unteren Gang. Diese Nasengänge sind komplett ausgekleidet mit Schleimhaut, auf der sich die Riechzellen befinden. Die Natur hat sich hierbei einen cleveren Trick einfallen lassen: um so viele Riechzellen wie möglich in die Nase zu packen, braucht man natürlich so viel Schleimhaut, als Träger, wie möglich. Daher ist die Schleimhaut großzügig und in Falten in den Nasenmuscheln ausgelegt. Im Vergleich zu unserer Nasenschleimhaut, die etwa eine Größe von 5 Quadratzentimetern hat, hat der Dackel schon eine Fläche von 100 Quadratzentimetern und der deutsche Schäferhund sogar bis zu 200 Quadratzentimetern.

Von innen mit dem Endoskop betrachtet erinnert die Nase somit an ein Korallenriff aus Schleimhaut. Man muss als gründlich und behutsam alle Nasengänge und alle Schleimhautfalten absuchen auf der Suche nach einem Fremdkörper. Es gibt ordentlich Fläche zum Verstecken.

Nach erfolgreichem Auffinden muss der Fremdkörper, in unserem Fall die Granne, dann noch entfernt werden. Leichter gesagt als getan, denn wie bereits gesagt ist die Granne ein sehr borstiges Gewächs und die Fremdkörperfasszange für das Endoskop ist ein sehr feines, filigranes Gerät. Es gilt also viel Fingerspitzengefühl und Obacht. Nach erfolgreicher Entfernung der Granne aus der Nase ist natürlich nicht sofort alles wieder in Ordnung. Der Fremdkörper und die heftigen Niesattacken sorgen für eine starke Reizung der Schleimhaut, daher benötigen die Patienten dann im Anschluss an die Endoskopie noch einen Entzündungshemmer und ein abschwellend wirkendes Schmerzmittel.

In Jakes Fall haben wir sogar noch – durch Zufall – in den Mandeltaschen Gräser-Reste gefunden. Zur Sicherheit werden bei der Endoskopie der Nase auch nochmal kurz Rachen und Mandeltaschen begutachte, denn oftmals findet man mehr als nur einen Übeltäter. Auch Grannen fühlen sich scheinbar im Rudel am wohlsten.

Jake war einer von vielen Endoskopie Patienten in dieser Saison. Das Thema Grannen aus Ohren, Nase, Haut etc. entfernen ist sehr präsent und kann ausnahmslos jeden betreffen.

Doch nicht jede Niesattacke, jedes Kopfschütteln, Husten oder Würgen muss gleich bedeuten, dass definitiv ein Fremdkörper festsitzt. Oft kann es auch sein, dass ein Fremdkörper eine starke Reizung gesetzt hat, ohne sich fest zu haken. Aufgrund gleicher Symptome ist die Entscheidung daher manchmal schwierig zu treffen. Aus diesem Grund kann auch ein konservativer Therapiestart (ersteinmal mittels Medikamenten) durchaus sinnvoll sein. Das entscheiden sie am besten mit ihrem Tierarzt während der Untersuchung ihres Lieblings zusammen.

Wir wünschen Jake einen (von nun an) Grannen-freien Sommer und weiterhin alles Gute.

 

Endoskopische Aufnahme der Granne in der Nase

 

 

Entfernung der Granne durch die Fremdkörperfasszange (Durchmesser der Zange beträgt ca 0,5cm!)

 

 

Erfolgreich entfernt

 

 

Unser Patient des Monats Jake beim Wandern 🙂