Huch? Da fehlt doch was…

Diesen Monat waren unsere Tierärzte des öfteren nicht etwa die Jäger des verlorenen Schatzes, sondern eher die Jäger des verlorenen Hoden. Unser Patient des Monats ist Cockapoo Balu.

Balu wurde uns zur Kastration überwiesen, da bei der Voruntersuchung nur einer der beiden Hoden im Hodensack tastbar war. Wieso Kastrationen also manchmal mehr als nur „Routine Eingriffe“ sind und wieso man Krypto nicht nur an der Börse kennt, erklären wir euch im folgenden Artikel.

Unter der Kastration versteht man die chirurgische Entfernung der Gonaden (der Keimdrüsen) unserer Haustiere.

Die Keimdrüsen sind die Geschlechtsdrüsen, und somit die Organe im Körper die für die Fortpflanzung nötig sind. Bei den weiblichen Tieren sind es die Ovarien (Eierstöcke), bei den männlichen Tieren die Testis (Hoden) .

In den Hoden werden sowohl Hormone (Androgene und Testosteron) als auch der Samen gebildet. Durch das chirurgische Entfernen greift man also in den natürlichen Hormonhaushalt der Tiere ein, sie sind nicht mehr fortpflanzungsfähig und können auch ihr Verhalten/ Wesen verändern. Damit gilt dieser Eingriff offiziell als eine Amputation . Für eine solche Operation benötigt man laut Tierschutzgesetz eine medizinische Indikation, also einen wichtigen Grund, der es den Tierärzten rechtfertigt dieses Organ zu entnehmen.

Im Falle von unserem lieben Cockapoo Balu war eine solche Indikation gegeben: Balu ist ein sogenannter Kryptorchide. Das Wort Kryptorchide setzt sich zusammen aus dem altgriechischen kryptikos, was soviel bedeutet wie „verborgen“ und dem griechischen Wort orchis, was Hoden bedeutet. Übersetzt kann man also sagen, dass ein Kryptorchid ein Lebewesen ist, mit „verborgenen Hoden“. Beim Kryptorchismus unterscheidet man, ob das Tier einseitig oder beidseitig betroffen ist, also ob einer oder beide Hoden verborgen sind und die Lage der verborgenen Organe.

Bei der Entwicklung des Körpers eines Welpen werden die Hoden, wie alle anderen Organe auch, zunächst im Körperinneren angebildet. Im Bauchraum reifen die Hoden bis zu einer gewissen Größe heran, anschließend wandern sie durch den Leistenspalt hinunter bis aus dem Körper raus in das Scrotum (Hodensack). Bei den Kryptorchiden gerät diese Wanderung an einer Stelle dann ins Stocken. Entweder schaffen die Hoden es noch bis in die Leiste und verbleiben dann dort, oder sie steigen erst gar nicht ab und bleiben komplett im Bauchraum.

Jetzt könnte man natürlich denken : Na und? Hoden ist Hoden, egal wo er sitzt, er ist doch da. Das ist aber leider nicht ganz so einfach.

Die Hoden wandern aus einem bestimmten Grund nach unten in den Hodensack. Außerhalb des Körpers, im Scrotum, herrscht ein anderes Klima als im Körperinneren. Die Temperaturen im Scrotum sind ca. so hoch wie die Körperoberfläche eines Tieres, beim Hund also ca. 32° Celsius. Im Körperinneren haben unsere Hunde eine Temperatur von ca. 38,5° – 39° Grad Celsius. Also deutlich wärmer. Und dieses warme Klima bekommt den Hoden nicht gut. Im Körperinneren kann sich der Hoden nicht voll entwickeln, somit kann der Kryptorchid unfruchtbar bleiben. Außerdem regt die Wärme und Umgebung den Hoden zur Zellteilung an, das heißt im worst case kann ein fehl gelagerter Hoden tumorös entarten.

Die Operation eines Kryptorchiden unterscheidet sich somit stark von einer normalen Kastration. Bei der „Routine Kastration“ wird die Hautstelle zwischen Hodensack und Penis eröffnet, die Hoden werden abgebunden und entfernt. Also eine recht unkomplizierte Angelegenheit. Bei fehl gelagerten Hoden jedoch muss man, je nach Lage, nun die Leiste oder sogar den Bauchraum eröffnen.

Für Besitzer eines Kryptorchiden stellt sich zusätzlich noch die Frage, ob das Tier komplett kastriert werden soll, also ob auch der normal gelagerte Hoden entfernt wird, oder ob nur der fehl gelagerte Hoden entnommen wird. Entfernt man nur den fehl gelagerten Hoden und belässt den anderen im Körper, so werden weiterhin Hormone produziert. Das Tier ist somit noch fruchtbar und vom Wesen her so, wie vor der OP.

Auch optisch erkennt man den Unterschied zwischen einem normal gelagerten, voll ausgebildeten und einem fehl gelagerten Hoden: der normale Hoden ist deutlich größer als der fehl gelagerte.

In Balus Fall war der linke Hoden abgestiegen, sein rechter Hoden lag im Inguinalspalt, also in der Leiste. Die Besitzer haben sich dafür entschieden, beide Hoden entnehmen zu lassen. Balu ist ein noch junges Kerlchen. Fit und tapfer trat er zu seiner dringend notwendigen OP an und verließ 3h später wieder unsere Praxis, als sei nichts gewesen. Auch die Nachkontrolle ließ er tapfer über sich ergehen und dank einer Intracutannaht (innerhalb der Haut), müssen bei Balu auch keine Fäden gezogen werden.

Inzwischen ist er auch endlich die lästige Halskrause wieder los. Denn wie wir ja alle wissen, ist das immer das Stressigste für unsere Lieblinge…

 

 

 

Links: fehl gelagerter Hoden (Leiste)   Rechts: normal gelagerter Hoden (Hodensack)

 

 

Cockapoo Balu